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Open Source Intelligence: Social Media unterstützt Betrugserkennung

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Betrugserkennung: Social Media kann helfen (Foto: Pixelio)

Versicherungen in Deutschland haben zunehmend mit Betrugsfällen zu kämpfen. Ermittlungen lassen sich durch den Einsatz von Open Source Intelligence (OSINT) schneller und effektiver durchführen. Eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung spielen Social Media.

Die Zahlen sind alarmierend: Auf acht bis zwölf Milliarden Euro schätzt das Beratungsunternehmen Accenture den durch Betrug entstandenen Schaden bei Versicherungen pro Jahr in Europa – Tendenz steigend (Accenture 2013). Laut der im Juni 2013 veröffentlichten Studie ist die Anzahl der Betrugsfälle in den vergangenen 36 Monaten um rund zehn Prozent gestiegen. Bei Betrügern besonders beliebt sind die Kfz- und die Haftpflichtversicherung.

Angesichts der explodierenden Kosten durch Betrugsfälle sind die Versicherungen gezwungen Betrugsversuche möglichst frühzeitig zu erkennen und effizient aufzuklären. Doch viele Unternehmen setzen laut Accenture noch immer auf veraltete Technik und überholte Analyse-Werkzeuge. Diese verhinderten in bis zu acht Prozent der Fälle eine Identifikation betrügerischer Handlungen.

Dabei können die Versicherungen heute auf innovative Software-Lösungen zurückgreifen, die dazu beitragen, Betrugsermittlungen effizienter und erfolgreicher zu gestalten (vgl. SAS 2012, S. 3ff.). Eine entscheidende Rolle kommt dabei Open Source Intelligence (OSINT) zu.

Der Begriff entstammt ursprünglich der Welt der Nachrichtendienste und bezeichnet in diesem Kontext die systematische Sammlung und Aufbereitung von Informationen aus offen und legal zugänglichen Quellen, um den Informationsbedarf von Regierungen im Hinblick auf die nationale Sicherheit zu erfüllen (Störger & Schaurer 2010, S. 3). Heute wird darunter vor allem die systematische Sammlung und Aufbereitung von Informationen aus offenen Quellen verstanden, die auch von Firmen oder Privatpersonen durchgeführt wird. Eine verbindliche Definition von OSINT gibt es also nicht.

Immer mehr offen zugängliche Quellen sind heute im Internet verfügbar. Die Menschheit hat ungeheure Datenmengen angesammelt, die täglich weiter wächst: „Big Data“ ist das Schlagwort der Stunde. Damit steigt auch die Zahl der für Ermittlungen relevanten Informationen.

Doch die Datenflut hat auch eine Kehrseite: Die schiere Menge der im Internet verfügbaren Informationen erschwert oder verhindert immer häufiger den Sucherfolg. In der Folge sind relevante Informationen in dieser Datenflut immer schwerer zu lokalisieren. Hinzu kommt, dass Beiträge durch neuere Inhalte immer rascher verdrängt werden. Eine klassische Recherche über Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo bringt somit immer weniger substanzielle Ergebnisse. Zudem dauern die Ermittlungen tendenziell länger, bis relevante Ergebnisse vorliegen. Ein weiteres Hindernis bei einer OSINT-Recherche besteht darin, dass den Suchmaschinen der größte Teil des Internets verborgen ist – das so genannte „deep web“. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass Suchmaschinen gerade einmal ein Prozent der vorhandenen Datenmenge erfassten.

Diese Entwicklungen erfordern also zweierlei: den Einsatz von Software-Tools zur Unterstützung von Ermittlungen im Internet – und geschulte Rechercheure, die diese Software zum Einen bedienen und zum Anderen die Ergebnisse zu analysieren wissen.

Inzwischen ist eine ganze Industrie rund um die gezielte Nutzung von Big Data entstanden. Verschiedene Methoden und Ansätze zur Analyse der Datenberge existieren. Davon eignet sich eine besonders zur Tiefenrecherche: das so genannte „Information Retrieval“.

Bei der entsprechenden OSINT-Software handelt es sich im Kern um ein Web-Monitoring-System, das Suchmaschinen-Technologie mit semantischen und statistischen Analysen verknüpft. Damit lässt sich jede öffentliche Webseite durchsuchen und indexieren. Auch Inhalte von Social Media lassen sich über Schnittstellen einbinden und verarbeiten. Somit sind praktisch alle offen im Internet vorhandenen Inhalte durchsuchbar – und auch tief im Internet vergrabene Informationen lassen sich aufspüren.

Social Media liefern wertvolle Erkenntnisse bei Ermittlungen

Ihre Fähigkeiten voll ausspielen kann diese Software bei der Recherche in sozialen Medien. Diese liefern häufig besonders wertvolle Erkenntnisse im Rahmen von Ermittlungen, allen voran Facebook. Der Grund: Immer mehr Menschen offenbaren in diesen Netzwerken freiwillig Details aus ihrem Privatleben. Youtube, Twitter und Facebook ermöglichen mitunter tiefe Einblicke in das Leben potentieller Täter und geben Aufschluss über Persönlichkeit und Verhalten. Auch Kriminelle nutzen Facebook – und besprechen dort auch ihre Aktivitäten.

Ein Beispiel: Ein 22-jähriger hatte seiner Versicherung sein iPhone als kaputt gemeldet. Ein Freund sei darauf getreten. Was den Ermittler skeptisch machte: Wenige Tage zuvor war das neue iPhone 5 erschienen. Zudem hatte der 22-jährige bereits im Vorjahr ein Notebook als kaputt gemeldet – Schuld sei ebenfalls ein Freund gewesen. Eine mittels OSINT-Software durchgeführte Recherche ergab, dass der Betroffene auf seiner Seite öffentlich zugängliche Fotos von sich und seinem neuen iPhone gepostet hatte. Aufschlussreich waren insbesondere die zugehörigen Kommentare: Glückwünsche mehrerer Freunde zu der „gelungenen Aktion“; der Dank des 22-jährigen für die Hilfe; die Verabredung, die Tat bei einem anderen Freund zu wiederholen. Ein gefundenes Fressen für die Ermittler.

In einem anderen Fall hatte ein 42 Jahre alter Dachdecker Berufsunfähigkeit durch Personenschaden bei seiner Versicherung beantragt: Sein rechtes Knie sei infolge eines Autounfalls zerschmettert, so dass er ohne Krücke nicht mehr laufen könne. Die Versicherung stimmte zu, nachdem ein ärztliches Gutachten vorlag.

Doch auf Facebook veröffentlichte der 42-jährige wenige Wochen später Fotos, die er von sich auf einem Berggipfel in den Alpen per Smartphone aufgenommen hatte, inklusive der Metadaten wie Orts- und Zeitangabe. Im Rahmen der Ermittlungen via Software stellte sich heraus, dass der in den fingierten Unfall verwickelte Kfz-Fahrer ein Freund des Mannes war – ebenso wie der Arzt, der das entscheidende Gutachten ausgestellt hatte. Beide Mittäter waren mit dem Täter auf Facebook befreundet – und hatten, wie im ersten Beispiel, die Freizeitaktivitäten des Mannes kommentiert.

Die Nutzung einer OSINT-Software durch einen erfahrenen Rechercheur konnte diese Ergebnisse in kurzer Zeit zutage fördern. Eine manuelle Recherche durch einen Ermittler hingegen hätte vermutlich mehrere Stunden bis Tage gedauert – Erfahrung bei der Recherche in sozialen Netzwerken vorausgesetzt.

Heute sind also bei Ermittlungen im Internet die Kombination von OSINT-Software und entsprechenden Recherche-Fähigkeiten vonnöten. Auf diese Weise lassen sich schnell gute Ergebnisse erzielen.

Fazit

Immer mehr Betrugsfälle belasten die Versicherungen. Eine schnelle und effiziente Aufklärung ist notwendig. Dies ermöglicht der Einsatz von erfahrenen OSINT-Rechercheuren zusammen mit einer entsprechenden Software. Dieses Vorgehen trägt dazu bei, Ermittlungen schneller und effizienter abzuwickeln. Zugleich ermöglicht es eine Entlastung von Mitarbeitern. Damit bleiben bei der Schadenabwicklung mehr Zeit und Ressourcen für die Betreuung ehrlicher Kunden – was wiederum die Kundenbindung stärkt.

Quellen

  • Accenture (Hrsg.) (2013): Betrug bei Sach- und Haftpflichtversicherungen europaweit auf dem Vormarsch. Kronberg im Taunus, 2013.
  • Störger, Jan & Schaurer, Florian (2010): OSINT Report 3/2010: The Evolution of Open Source Intelligence. ISN ETH Zürich, 2010.
  • SAS (Hrsg.) (2012): Combating Insurance Claims Fraud. How to Recognize and Reduce Opportunistic and Organized Claims Fraud. White Paper, 2012.

Über den Autor

Florian Peil ist Head of Intelligence bei der Riskworkers GmbH in München.


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